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  • Stefanie Burr

Bordsteinkantendilemma


Manchmal macht man aber auch alles falsch. Da düse ich heute bei schönstem Sonnenschein mit meinem klapprigen alten Rad durch die Stadt. Ich fahre auf dem Gehweg, weil es auf dem Kopfsteinpflaster nicht nur unheimlich rütteln, sondern auch ordentlich scheppern würde. Vor allem wegen des leeren Kindersitzes auf meinem Gepäckträger. Radfahrende Eltern in historischen Altstädten kennen das Gerumpel.

Jedenfalls geht vor mir eine alte Dame. Sie trägt einen Mantel in rentnerbeige und einen bordeauxfarbigen Hut mit Netzschleife am Rand. In jeder Hand hat sie zwei Tüten. Die einen aus Stoff, da sind wohl die Lebensmittel drin. Die anderen sind aus buntem Plastik mit verschiedenen Aufdrucken. Omi war shoppen!

Wie sie so langsam und bedächtig vor sich hergeht. Wahrscheinlich ist sie gerade sehr glücklich. Freut sich, dass sie all die schönen Sachen gleich auspacken kann.

Normalerweise würde ich jetzt klingeln und hoffen, die alte Dame macht mir ein wenig Platz. Aber nein, denke ich, ich will sie nicht durch diesen schrillen Ton aus ihren Träumen reißen. Stell Dir mal vor, die bekommt einen Herzinfarkt oder so! Also nein, das geht nun wirklich nicht.

Kurzerhand lenke ich auf den Bordstein und die Kopfsteinpflasterstraße zu. Vorderrad runter. Rums! Hinterrad runter. Entsetzlich lautes Rums! Ich sehe, wie die Oma wie vom Blitz getroffen zusammenzuckt und höre sie ein spitzes „Hach“ rufen. Dabei fallen ihr fast die Tüten aus der Hand. „Nein sowas“ höre ich sie noch stöhnen, als ich weiterklappere. Wenn ich von meiner bescheuerten Aktion nicht selbst noch versteinert gewesen wäre, hätte ich bestimmt „Sorry“ gerufen.


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