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  • Stefanie Burr

Die Tulpentanne


Als unser Großer neulich einen Osterhasen aus seinem Naschikorb zauberte, schoss mir plötzlich ein, dass Weihnachten bald vor der Tür steht. Das bedeutet nicht nur, das diverses geschenktes Schokozeugs aus großen 1.39-Euro-Tüten endlich mit gutem Gewissen entsorgt werden darf. Das bedeutet oft leider auch, dass man vor lauter Gemütlichkeitsplanung am Ende gar keine Zeit mehr für Gemütlichkeit hat. Zumal man erst mal noch die ganze Frühlingsdeko wegräumen muss.

Dabei lohnt sich das überhaupt nicht. Die Plätzchen sind kaum aus dem Ofen und zack, sind die Feiertage auch schon wieder rum. Noch drei Mal schlafen und – haste nicht gesehen – sprießen die ersten Knospen ganz unschuldig aus den eben noch schneebedeckten Zweigen. Ich meine, der beleuchtete Weihnachtsstern hängt schließlich auch schon das dritte Jahr bei uns rum. Er hat sich ganz geschmeidig ins Wohnambiente eingefügt und fällt gar nicht mehr auf – die weihnachtlichen Details gucken sich mit der Zeit einfach weg.

Vielleicht sollte ich die saisonübergreifende Deko erfinden. Den Eierstern zum Beispiel oder die Tulpentanne. Eine echte Marktlücke! Denn, was bedeuten schon Jahreszeiten, wenn es im Oktober bereits Lebkuchen oder ab Neujahr an jeder Ecke Frühblüher zu kaufen gibt?

Ich rufe jetzt mal beim Patentamt an. Wenn ihr bis zum Fühling nichts von mir lest, habe ich mich mit meinen Millionen auf die Cayman Island abgesetzt. Da braucht man keine Deko. Da ist immer Sommer.

P.S. Wer mir plausibel erklären kann, warum zwar die Zeit zwischen Weihnachten und Ostern so wahnsinnig kurz ist, der trübe Winter gleichzeitig jedoch nie enden will, kriegt ne Million ab.

P.S.S. Alte Schokolade nicht wegschmeißen, sondern einschmelzen, mit der jeweils halben Menge an zerbröseltem Knäckebrot vermengen und in kleinen Häufchen zum Abkühlen auf ein Blech setzen. Fertig sind die Knusperflocken! Machen zwar nicht reich. Aber glücklich.

Der Originaltext erschien in der Winterausgabe 2017 der Familienzeitschrift "Räuberpost".


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